So geht Medizin heute: über Nacht Millionen neue Patienten – Beispiel: Cholesterin

Ablagerung und Verengung einer Aterie - Arteriosklerose

Statine sind für die Hersteller eine lohnende Einnahmequelle, weil viele Menschen diese Cholesterin-Senker verschrieben bekommen. Doch wie hoch müssen die Blutwerte sein, ab denen ein Patient die Mittel schlucken muss? Dazu gibt es „offizielle“ Empfehlungen oder eher Richtlinien, an die sich Ärzte gebunden fühlen sollen.

Die Cholesterinwerte werden von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) festgelegt und von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) übernommen. Die 2019 neu herausgegebenen Leitlinien sollen angeblich veraltet sein, weil sie 3 Jahre nicht mehr überarbeitet wurden. Die neuen Normwerte lagen drastisch unter denen, die seit 2016 galten.

Damals galt für Menschen, die an familiärer Hypercholesterinämie leiden, ein LDL-Zielwert von unter 100 mg/dl. Wenn bereits verengte Herzkranzgefäße nachweisbar waren sollte die LDL-Konzentration auf unter 70 mg/dl eingestellt werden.

Ab 2019 soll der LDL-Wert bei genetisch bedingter Hypercholesterinämie und koronarer Herzkrankheit weniger als 55 mg/dl betragen. Da fragt man sich: Welcher gesunde Mensch hat denn derart niedrige Cholesterin-Werte?

Die Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin protestierte. Es sei nicht hinnehmbar, dass praktisch das 50 % der Bürger per Definitionem für krank erklärt werden und Statine einnehmen sollen. Zudem empfehlen die Richtlinien aus 2019 die zusätzliche Applikation der neuen PCSK9-Hemmer. In der Leitlinie 2016 hieß es noch, dass deren Einsatz nur in Erwägung gezogen soll.

Leitlinienwatch.de kam der eigentlichen Motivation für die Aktualisierung auf die Spur. Die meisten Autoren des ESC-Skripts meldeten finanzielle Verbindungen zur Pharmaindustrie und damit erkenntnisleitende Interessen an. 14 der Leitlinien-Verfasser stehen sogar bei Produzenten von PCSK9-Hemmern auf der Gehaltsliste. Auch die ESC erhält fast Dreiviertel ihrer Einnahmen von der Pharmaindustrie.

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Ein Blick in die USA

Im Jahr 2013 enthüllten die „American College of Cardiology“ (ACC) und die „American Heart Association“ (AHA) neue Leitlinien für die Behandlung zu hoher Cholesterinwerte (siehe u.a. http://www.medicalnewstoday.com/releases/281077.php).

Wie es aussieht, waren die damals „neuen Empfehlungen“ selbst anderen gestandenen Schulmedizinern zu wenig medizinisch, dafür aber zu verkaufs- und pharmamarketinggerecht ausgefallen.

Warum?

Es hatte sich in der Mayo Klinik eine „task force“ (ich nenne sie einfach mal „Arbeitsgruppe“) gebildet, die sich mit den neuen Empfehlungen kritisch auseinandergesetzt hatte und dabei einiges zurechtrücken wollte.

Die Arbeitsgruppe vertrat die Meinung, dass nicht alle Patienten per se Statine einnehmen sollten, da auch nicht alle von einer solchen „Therapie“ profitieren. Aber genau das scheinen die neuen Leitlinien aber zu unterstellen.

Weiter kritisierte die Mayo Arbeitsgruppe, dass bei der Therapie ein individualisiertes Therapiekonzept zur Anwendung kommen sollte. Bei den Leitlinien dagegen stand man kurz davor, die Statine ins Trinkwasser zu kippen.

Die Arbeitsgruppe der Mayo Klinik besteht aus Kardiologen, Endokrinologen und Präventivmedizinern, die von sich behaupten, keine Beziehungen zur pharmazeutischen Industrie zu haben. Wenn man sich ihre Vorschläge so anhört, dann glaube ich sogar, dass da etwas Wahres dran sein könnte.

Hier ein paar Beispiele, wie „evidenzbasiert“ die amerikanische Variante der Cholesterintherapie aussieht:

Die „neuen“ Leitlinien von ACC und AHA aus dem Jahr 2013 empfehlen die Verschreibung der stärksten Statine in hohen Dosen für alle Männer, die älter als 65 Jahre sind – auch, (und jetzt festhalten!), wenn es keine Herzerkrankungen in der Vergangenheit gegeben hatte.

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Rentner zum Abschuss freigegeben

Das liest sich für mich, als wenn dort die Rentner zum pharmazeutischen Abschuss freigegeben worden sind, damit man die Ausgaben für Renten einsparen kann. Normale Cholesterinwerte spielen hier auch keine Rolle, denn auch diese Klientel soll kräftig mit Chemie versorgt werden, Hauptsache man ist über 65! Hier wird das Alter per se zum Risikofaktor erhoben. Oder anders formuliert: Alter = behandlungsbedürftige Krankheit.

Frage: Welche evidenzbasierte Studie hat dies zeigen können? Keine Einzige

Aber trotzdem werden solche Empfehlungen offiziell gemacht. Wenn es ums Geld geht, dann brechen die scheinheiligen Heuchler der Schulmedizin auch schon gerne mal ihre eigenen Regeln. Auch die Mayo Arbeitsgruppe konnte keine „Evidenz“ in klinischen Studien ausmachen, die diesen Anspruch unterstützen würden.

Endlich einmal eine schulmedizinische Institution, die wohltuenderweise mit den eigenen Ansprüchen etwas ernster umzugehen scheint. Daher lehnt die Arbeitsgruppe eine stereotype Behandlung mit Statinen aufgrund des Alters alleine als „Indikation“ entschieden ab. Gut so!

Von wegen Mittel der ersten Wahl

Die Leitlinie versteigt sich auch zur der Behauptung, die Behandlung mit Statinen als Mittel der ersten Wahl gegen kardiovaskuläre Erkrankungen anzusehen. Erst dann kommt die Frage nach gesunden Lebensweisen und Ernährung – wenn überhaupt.

Die „Mayo-Arbeitsgruppe“ lehnte diese Vorgehensweise ebenfalls ab und setzt die Veränderung von Lebensgewohnheiten und Ernährung unter Einbeziehung von körperlicher Bewegung an die erste Stelle. Erst nach drei bis sechs Monaten soll dann eine Reevaluation vorgenommen werden bevor es zur Verschreibung kommt. Das hört sich schon eher nach patientenfreundlicher Medizin an.

Diabetiker sollen Statine erhalten?

Laut Leitlinien sollten alle Diabetiker, ob klein, groß, dick, dünn etc., Statine erhalten – wenn sie älter als 40 Jahre sind. Also auch hier haben wir wieder keinen medizinischen Zustand, der die Indikation bestimmt, sondern das Alter. Super! Die Arbeitsgruppe hatte starke Zweifel, dass alle Diabetiker das gleiche kardiale Risiko haben im Vergleich mit Leuten, die eine entsprechende Geschichte aufzuweisen haben.

Die Arbeitsgruppe sprach sich nicht für oder gegen den Einsatz von Statinen bei Diabetikern aus, bei denen ein geringes Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfall vorliegt. Hier verwiesen die Mayo Kliniker auf eine individualisierte Herangehensweise bei diesen Patienten.

Statine für alle über 65

Interessant ist auch die Empfehlung zur Berechnung der Risikofaktoren in den Leitlinien von 2013. Um das großzügige „Versprühen“ von Statinen auf Verschreibungsbasis unter den Patienten gewährleisten zu können, haben die Leitlinien-Mediziner von ACC und AHA die Familiengeschichte „abgeschafft“. Aha!

Denn die neuen Leitlinien sagten aus, dass die Familiengeschichte nur dann relevant wird, wenn das Risiko, das weiter oben schon vordefiniert worden ist, unsicher ist. Oder mit anderen Worten: Wenn ich über 65 bin, dann ist es völlig egal ob ich gesund bin. Ich habe Statine zu nehmen. Familiengeschichte hält da nur auf. Wenn ich Diabetiker über 40 bin, dann… siehe Ausführung vorherigen Satz.

Die Mayo Arbeitsgruppe dagegen wollte sich nicht von der Familiengeschichte als wichtiges diagnostisches Mittel trennen. Gut so! Denn für sie haben eine Reihe von Studien gezeigt, dass die Familiengeschichte ein eigenständiger Vohersagefaktor für ein kardiovaskuläres Risiko ist.

Bestimmung des kardiovaskulären Risikos

Zur Bestimmung des kardiovaskulären Risikos empfahlen die Leitlinien den Knöchel-Arm-Index und die Bestimmung des C-reaktiven Proteins. Die Arbeitsgruppe dagegen forderte die Leidlinien-Medizinmänner auf, etwas fleißiger zu sein und einige andere Untersuchung bei der Beurteilung mit einzuschließen:

  • Ultraschall-Untersuchung der Halsarterien, um die Dicke der Gefäßwände zu ermitteln und Plaques auszuschließen (empfehle ich übrigens auch)
  • Messung der Pulswellengeschwindigkeit, um die Elastizität beziehungsweise Steifheit der Arterien zu beurteilen (ein ganz altes diagnostisches Mittel!)
  • Blutuntersuchungen, um Lipoprotein a zu messen, das ein eigenständiger Faktor für ein kardiovaskuläres Risiko darstellt (endlich wird das mal erwähnt!)

Ich bin fast schon versucht mich bei der Mayo-Klinik zu bewerben. Wenn die da wirklich so akkurat arbeiten, kann ich verstehen, warum diese Klinik Weltruf hat.

Fazit

Es ist erschütternd zu sehen, wie die offiziellen „Schulmediziner“ der USA ihre Patienten an die Pharmaindustrie verkaufen und wie das Phänomen auf Europa überschwappt. Immerhin wehren sich so renommierte Mediziner (wie die von der Mayo Klinik) gegen ein solch abgrundtiefes … ich sage mal: Verhalten… (damit ich nicht wieder Abmahnungen erhalte).

Bleibt nur zu hoffen, dass die Allgemeinmediziner in Europa und Deutschland die ESG-Richtlinien von 2019 so nicht umsetzen.

Ein „kardiovaskuläres Risiko“ muss doch nicht zwangsläufig zu einer Statintherapie führen. Wohltuend ist aber die Einsicht der Mayo-Leute, dass Umstellungen bei Lebensgewohnheiten, Ernährung und körperliche Bewegung Vorrang haben vor der chemischen Statinkeule. Und wenn das nicht hilft, dann kann man Cholesterinspiegel auch natürlich natürlich senken.

Und wer noch nicht genug vom diesen Cholesterin Märchen hat, der darf sich mein Buch zu diesem Thema bestellen:

Buch: Cholesterin von René Gräber

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René Gräber

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6 Kommentare Kommentar hinzufügen

  1. Avatar

    Allen „Patienten“, die Statine schlucken (müssen?), sei
    warnend gesagt, dass diese (unnützen) Medikamente
    die Aufnahme des herz-wichtigen Co-Enzyms Q 10
    zu 100% verhindern.
    Allen, die einen oder mehrere von den 200(!) verschiedenen Betablockern schlucken, sei aus Erfahrung gesagt,
    dass diese Giftpillen den Stoffwechsel derart verlangsamen,dass es häufig zu starken Gewichtszunahmen, Diabetes, Lebererkrankungen, Impotenz(!) kommt. Es werden nur Symptome bekämpft
    und auf andere Organsysteme verlagert.
    Pillen gegen den Blutzucker verhindern nicht die Spätfolgen der Überzuckerung! Ich habe gehört, dass
    Schwarztee (4 Tassen/Tag) den Blutzucker bis zu 25 % senken kann. Also: Tee statt Kaffee. Kaffee ist schädlich
    für die Bauchspeicheldrüse und ein starker Säurebildner.

  2. Avatar

    Wenn ich den Artikel über die neue Cholesterin Strategie lese, wirds mir richtig ungemütlich. Was macht die BigPharma nicht alles für Geld. Ich finde diesen Zustand ganz schrecklich. Wenn das so umgesetzt wird????. Mir reicht es schon, wenn ich mir halbjährlich die Drohungen meiner Ärztin anhören muß. Da ich mich aber mit dieser Thematik bestens auskenne stelle ich immer wieder im Gespräch fest, dass sie sehr wenig über Cholesterin weiß, will mir aber ständig Statine aufschreiben. Ich habe noch keinen Arzt erlebt, der mir zuerst eine Umstellung der Ernährung, Bewegung usw. empfohlen hat. Zuerst wurden Statine verschrieben…. Ich trete gerade den Selbstversuch an mit Umstellung der Ernährung (so gut wie keine Kohlenhydrate) und viel mehr Bewegung, viel Wasser trinken usw.. Auch Fasten zwischendurch verbessert nicht nur die Cholesterinwerte… Es gibt meistens einen natürliche Weg, die Werte zu verbessern. Es ist nur so, dass viele Patienten diesen Weg nicht kennen oder ihm nicht trauen. Für viele ist es immer noch einfacher eine Pille einzuwerfen und damit meinen, das Problem ist gelöst. Aber auch selbst mit Statinen, wenn man sie denn nimmt, ist man nicht auf der sicheren Seite, sonst würde es nicht immer noch so viele Mensche genben, die an Herz-Kreislauf Versagen sterben bzw. daran erkranken. Das Gegenteil ist der Fall, es werden immer mehr Patienten….

  3. Avatar
    Univ. Doz. Dr. Kritz Harald

    7. Dezember 2014 um 16:54

    Lieber Hr. Gräber,
    als ernsthafter Arzt liest man zwar die Leitlinnien, entscheidet aber bei jedem Patienten selbst, was für den Einzelnen gut ist. Studien sind das Eine und ärztliche Erfahrung das Andere. Ich stimme Ihnen zu, dass die
    so oft „vergessene“ Familinenanamnese sehr wichtig ist. Weiters ist ein Ultraschallbefund der Halsschlagader mit Bestimmung der IMT, die Bestimmung des Lp(a) und des s-CRP unerlässlich. Statine haben ihr Benefit, wenn sie in richtiger ( möglichst geringer) Dosierung, gemeinsam mit Lebensstiländerung und unter Beachtung der Nebenwirkungen ( Myopathie) verordnet werden.
    Man sollte schon erkennen, dass bei entsprechender Sorgfalt, durch die effiziente LDL Absenkung die Prognose von Gefäßkranken verbessert wird. In Bälde wird es neue gentherapeutische Medikamente geben, die die Statine bei den bisher nicht ausreichend behandelbaren schweren familiären Hyperlipoproteinämien ablösen werden. Trotz aller „vereinfachenden“ Leitlinien wird die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen immer eine multidisziplinäre Therapie ( Diätologin, Sportcoach, Nikotinverzicht, Endokrinologe, Kardiologe, Gefäßspezialist etc. ) bleiben.

    Antwort René Gräber:

    Vielen Dank für Ihre Stellungnahme! Ich würde mir eine differenziertere Betrachtungsweise (so wie Sie diese vorstellen), öfter wünschen. Leider scheint die reflexartige Verordnung von Statinen in der Praxis eher die Regel als die Ausnahme zu sein…

  4. Avatar

    Sehr geehrter Herr Gräber,
    da ich an einer konoraren Herzerkrankung leide, ist es laut meiner Ärztin notwendig, meine Cholesterinwerte dauerhaft zu senken. Ich bin 67 Jahre alt. Habe 2011 bereits ein Stentimplantat erhalten und bekam danach Simva Beta verschrieben, was ich nicht vertragen habe. Auch andere Statine taten mir nicht gut. Inzwischen bin ich bei dem Medikament Ezetrol in Verbindung mit Omega 3-Fischöl Kapseln gelandet. Meine Werte sich noch nicht so gut, dass man zufrieden sein könnte. Ich lebe fast vegan, rauche und trinke nicht, Sport könnte etwas mehr sein. Nun meine eigentlich Frage. Was halten sie von fermentiertem roten Reis? Ist das darin enthaltene Monacolin K mit einem Statin zu vergleichen? Und könnte ich es zusammen mit dem Medikament Ezetrol einnehmen? Habe es mir vor kurzem bestellt, bin aber nach unterschiedlichen Meinungen im Internet unsicher geworden.
    Vielen Dank für Ihre Antwort.
    Herzliche Grüße
    Renate L.

  5. Avatar

    Cholesterinsenker, Betablocker, Chemo egal was, fragen Sie Ärzte hören Sie immer nur von Leitlinien. Manchmal frage ich mich ob die Ärzte auch noch selber denken können oder nur nachplappern, was die Pharmaindustrie vorgibt. Denke eher Letzteres. Aber letztlich verdienen alle Pharmaindustrie, Arzt und die Apotheken.
    Wir zahlen – mit unserer Gesundheit und bei den Krankenkassenbeiträgen.

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