Der Speichel ist sehr komplex
Speichel, Spucke, Geifer etc., es handelt sich um ein Sekret, das in den Speicheldrüsen gebildet wird. Diese Flüssigkeit wird nicht nur von Menschen, sondern auch von einer großen Zahl an Tieren gebildet. Ort der Produktion sind drei verschiedene Speicheldrüsen: die Ohrspeicheldrüse, die Unterkieferdrüse und die Unterzungendrüse.
Wir produzieren (als erwachsener Mensch) zwischen 0,6 und 1,5 Liter Speichel täglich. Die Basalrate für die Speichelproduktion liegt bei 0,5 Liter am Tag. Bei Nahrungsaufnahme erhöht sie sich dementsprechend.
Speichel – eine komplexe Flüssigkeit
Der Speichel ist eine komplex zusammengesetzte Flüssigkeit, die aus einer großen Zahl an verschiedenen Substanzen zusammengesetzt ist. Hier die wichtigsten „Zutaten“:
- Wasser: 99,5 Prozent
- ElektrolyteNatrium, Kalium, Kalzium, Magnesium, Chlorid, Bicarbonat, Phosphat, Jod
- Schleim bestehend aus Mucopolysacchariden Glykoproteinen
- Antibakteriell wirksame Komponenten wie Thiocyanate, Wasserstoffperoxid und Immunglobulin A
- Epidermaler Wachstumsfaktor, der für die Integrität der Schleimhäute im Mund und Rachenraum zuständig ist
- Enzyme: alpha-Amylase, Lipase, Kallikrein (eine Serinprotease mit einer Reihe von physiologischen Aufgaben)
- Antibiotisch wirksame Enzyme: Lysozym, Lactoperoxidase, Lactoferrin, Immunglobulin A Zellen: rund 8 Millionen körpereigene Zellen und 500 Millionen Zellen von Bakterien pro Milliliter Opiorphin, eine schmerzstillende Substanz
- Haptocorrin, ein Protein, das Vitamin B12 bindet und was das Vitamin vor Zersetzung durch die Magensäure schützt.
Einige Funktionen des Speichels
Die Enzyme im Speichel beginnen mit der Verdauung der aufgenommenen Nahrung. Diese Verdauung wird deutlich erleichtert, wenn die aufgenommene Nahrung gründlich gekaut = zerkleinert wird. Der Speichel schützt die Mundschleimhäute vor Verletzungen während des Essens und Sprechens und liefert die nötige Feuchtigkeit für die Schleimhäute.
Probleme mit den Schleimhäuten sind sehr häufig auf eine geringe Speichelproduktion zurückzuführen, bei der Essensreste an der Mundschleimhaut haften bleiben und für Irritationen sorgen. Und der Speichel hat eine zentrale Rolle beim Schmecken. Als Flüssigkeit ist der in der Lage, die Geschmacksstoffe zu den Geschmackszellen in der Zunge zu leiten.
Auch hier verursacht eine zu geringe Speichelproduktion eine Reihe von Störungen, wie Geschmacksveränderung oder Geschmacksverlust. Der Speichel kontrolliert ebenfalls den pH-Wert im Mund. Dieser liegt normalerweise in einem Bereich zwischen 6,2 und 7,4. Dies verhindert, dass die Mineralien aus dem Zahnschmelz herausgelöst werden, was bei der Entstehung der Karies von Bedeutung ist.
Speicheltest und pH-Speicheltest
Es gibt eine Reihe von Speicheltests, die von der Schulmedizin zu diagnostischen Zwecken durchgeführt werden. Der bekannteste ist der sogenannte „Karies-Risikotest“, der in der Regel vom Zahnarzt durchgeführt wird.
Andere Tests werden zu toxikologischen Fragestellungen durchgeführt, wie zum Beispiel bei Drogentests. Weitere Tests dienen zur Diagnose von Hormonstörungen, Leistungsprofilen, Schwangerschaftsverlauf, Schlafstörungen etc.
Mit dem Speichel können eine Reihe von Hormonen bestimmt werden, wie zum Beispiel Cortisol, Estriol, Estradiol, DHEA, Testosteron, Progesteron, Melatonin etc.
Der pH-Wert des Speichels scheint für die wissenschaftliche Betrachtung keine sehr große Rolle zu spielen. Ich spreche hier nicht von der üblichen schulmedizinischen „Wissenschaft“, die weitestgehend Produkt pharmazeutischer Interessen ist. Auch in naturwissenschaftlichen Arbeiten gibt es kaum nennenswerte Literatur, die hier signifikante Aussagen zum pH-Wert des Speichels und seine Bedeutung für den Organismus machen.
Die wenigen Aussagen, die es gibt, werde ich im folgenden Kapitel diskutieren. Zunächst einmal die Aussagen der mehr alternativ ausgerichteten Heilverfahren. Hier werden teilweise sehr mutige Aussagen getätigt.
Auf dieser Webseite (healingdaily.com/conditions/saliva-ph-test.htm) zum Beispiel erfährt der Leser, dass der pH-Speicheltest ein „einfacher Test ist, mit dem du deine Anfälligkeit auf Krebs, Herzerkrankungen, Osteoporose, Arthritis und viele andere degenerative Erkrankungen messen kannst“. Wie soll das aussehen?
Die Erklärung sieht so aus: bei Krebs, Herzerkrankungen und die anderen soeben aufgezählten gesundheitlichen Problemen liegt immer eine Übersäuerung des Organismus vor, die sich im pH-Wert des Speichels widerspiegelt. Zeigt der Teststreifen einen optimalen basischen Wert an, dann ist alles in Ordnung und die Wahrscheinlichkeit für die aufgezählten Erkrankungen nur gering. Bei einem „sauren Ergebnis“ jedoch zeigt sich, dass der Organismus übersäuert ist.
Andere Webseiten empfehlen die Kombination von pH-Wert Tests für Speichel und Urin. Auch hier wird eine mehr oder weniger geradlinige Korrelation zwischen systemischem pH-Wert und pH-Wert des Speichels postuliert. Für den pH-Wert des Urins gibt es diese Korrelationen. Nach meinem Wissen jedoch gibt es keine wissenschaftlichen Arbeiten, die diese Korrelation auch für den pH-Wert des Speichels unterstützen. Ich bezweifele auch, dass diese Geradlinigkeit von Kausalitäten kompatibel ist mit biologischen Vorgängen, die selten bis überhaupt keine „mathematische Geradlinigkeit“ in ihren Verläufen kennen.
Der Grund, warum hier Äpfel mit Birnen verglichen werden, ist der, dass der Mund-Rachenbereich kein Ausscheidungsorgan ist, während Nieren und Blase ausschließlich diese Funktion erfüllen. Wie bereits weiter oben erwähnt hat der Speichel auch die Funktion, die aufgenommene Nahrung bis zu einem gewissen Grad zu desinfizieren. Hierzu werden unter anderem Substanzen mit niedrigem pH-Wert genutzt, die den pH-Wert des Speichels absinken lassen. Wie wir gleich noch sehen werden, gibt es eine Reihe von Einflüssen, die diesen pH-Wert ebenfalls mitbestimmen.
(Ein) Wenig Wissenschaft zum Speichel-pH
Wenn ich vorhin erwähnt hatte, dass es wenig wissenschaftliche Arbeiten zur Bedeutung des pH-Werts gibt, dann muss ich dies insofern revidieren, als es etliche Arbeiten im Zusammenhang mit zahnärztlichen Prozeduren gibt.Hier wird zum Beispiel der pH-Wert des Speichels untersucht auf dessen Einfluss auf Zahnprothesen, Zahnspangen etc.
Immerhin ist es denkbar, dass ein saurer Speichel die Korrosion des Materials beschleunigt und dessen Lebensdauer verkürzt. Arbeiten zum Thema „pH-Wert und Korrelation zu Erkrankungen“ scheint es kaum zu geben. Arbeiten zum Thema „pH-Wert und chronische Erkrankungen“ habe ich nicht finden können. Und auch Untersuchungen, ob und in welcher Form systemischer pH-Wert mit dem Speichel-pH-Wert korreliert, scheint es nicht zu geben.
Hier die wenigen Arbeiten, die ich finden konnte:
Diese Arbeit aus dem Jahr 2018 untersucht bei Kindern im Alter zwischen acht und zwölf Jahren den Einfluss von Nahrungsmitteln und Getränken auf den pH-Wert des Speichers. Bezeichnend ist der Hinweis, dass alle Kinder (50 Teilnehmer) eine strikt vegetarische Diät einhielten.
Resultate: Zum einen variiert der pH-Wert des Speicheltestes in Abhängigkeit vom Messzeitpunkt. Die größte Veränderung maßen die Autoren direkt nach Verzehr. Den größten Abfall des pH-Werts sahen die Autoren bei kalten Getränken im Vergleich zu Fruchtsaft. Die größte Steigerung des pH-Werts wurde bei Sahnekeksen gesehen. Nach kurzer Zeit jedoch kehrte der pH-Wert bei allen Teilnehmern zu den Ausgangswerten zurück.
Autoren führen dies auf Pufferungsmechanismen zurück. Mein Fazit: Sahnekekse gehören mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu den organischen und basischen Nahrungsmitteln. Man kann hier eher vom Gegenteil ausgehen. Demnach müsste der Verzehr dieser Kekse nicht nur zu einer Absenkung des systemischen pH-Werts führen, sondern, falls diese Korrelation besteht, auch zu einer Absenkung des Speichel-pH-Werts.
Die gegenläufige Tendenz jedoch zeigt, dass hier andere Faktoren mit im Spiel sind, die diese Korrelation überspielen, oder aber dass es diese Korrelation so nicht gibt. Jedenfalls gibt diese Arbeit Grund zu der Vermutung, dass der Anspruch der pH-Speicheltests mit Vorbehalt zu betrachten ist.
Saliva pH as a biomarker of exam stress and a predictor of exam performance. – PubMed – NCBI
Diese Arbeit aus dem Jahr 2014 untersucht den pH-Wert des Speicheltests als Biomarker für Stress. Der Grund hierfür ist, dass dieser pH-Wert sowohl vom sympathischen, als auch von parasympathischen Nervensystem gesteuert wird. Stressbedingte Veränderungen hier müssten sich auch im pH-Wert des Speicheltests bemerkbar machen.
Teilnehmer waren 83 Auszubildende für Krankenpflege, die einem Stresstest unterzogen wurden, und die vor dem Examen und drei Monate nach dem Examen Speichelproben abgaben.
Resultate: Die pH-Werte nach dem Examen waren deutlich niedriger im Vergleich zu den Werten kurz vor dem Examen. Der pH-Wert vor dem Examen zeigte sogar eine Korrelation mit dem Prüfungsergebnis/der Prüfungsleistung: je niedriger der pH-Wert, umso schlechter das Prüfungsergebnis. Die Autoren schließen daher, dass der pH-Wert des Speicheltests ein zuverlässiges und preiswertes Mittel ist, um psychologische Reaktionen auf Prüfungssituation und andere Stressfaktoren zu messen.
Mein Fazit: Auch hier zeigt sich wieder, dass der pH-Wert des Speicheltests von einer Reihe von Faktoren beeinflusst wird, die die Korrelation zum systemischen pH-Wert überspielen, falls es diese Korrelation gibt.
Diese Arbeit ist besonders interessant, da hier der pH-Wert des Speicheltests auf eine Korrelation zu Depressionen untersucht wurde. Die Autoren gehen ebenfalls von der Überlegung aus, dass das sympathische Nervensystem und dessen Aktivierung zu einer Absenkung des pH-Werts führt und daher als Biomarker für psychologischen Stress dienen kann.
Untersucht wurden hier Betreuer (Verwandte, Ehepartner, Kinder) von Krebspatienten im Vergleich zu Betreuern, die keine Krebspatienten zu versorgen hatten. Es zeigte sich, dass signifikant niedrigere pH-Werte bei den Betreuern gefunden wurden, die sich um Krebspatienten zu kümmern hatten im Vergleich zu den Betreuern ohne Krebspatienten.
Die Autoren schlossen, dass diese Betreuer im Durchschnitt gesundheitlich weniger gut aufgestellt waren, eine höhere Rate an Depressionen zeigten und weniger Selbstvertrauen in die eigene Tätigkeit hatten, was sich in einem deutlich erniedrigten pH-Wert ausdrückte. Es zeigte auch, dass Depressionen das Selbstvertrauen in die eigene Tätigkeit beeinflussen.
Auch diese Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Bestimmung des pH-Wertes des Speichels ein leicht zu handhabender Test ist, um den Stress von Betreuern von Kranken und aufkommenden Depressionen nachzuvollziehen.
Mein Fazit: es ist durchaus vorstellbar, dass das Selbstvertrauen der Betreuer von Krebskranken in ihrer Tätigkeit im Laufe der Zeit erodiert, da diese Erkrankung unter den heutigen schulmedizinischen Behandlungsbedingungen in der Regel zum Tode führt. Damit sieht der Betreuer als Ehepartner, Kind etc. des Krebskranken eine Bezugsperson leiden und sterben, was für den Betreuer das Gefühl von Ohnmacht, Verzweiflung und Trauer hinterlässt.
Und dieses Gefühl dauert an über den gesamten Leidensweg bis zum Tod des Kranken, was für den Organismus des Betreuers mit einer Art Dauerstress verbunden ist. Daher auch die wenig überraschende Beobachtung, dass diese Betreuer einen schlechteren gesundheitlichen Status aufweisen als Betreuer von nicht an Krebs erkrankten Bezugspersonen/Familienmitgliedern.
Fazit:
Es gibt wenig Grund zu der Annahme, dass systemischer pH-Wert (Säure-Basen-Haushalt) und pH-Wert des Speicheltests in direkter Korrelation zueinanderstehen und die Werte des einen Spiegelbild der Werte des anderen sind. Die Annahme, dass dies so sein könnte, wird durch keine wissenschaftlichen Untersuchungen unterstützt, da solche Untersuchungen bislang nicht durchgeführt worden sind.
Die Untersuchungen, die es gegeben hat, zeigen, dass eine Reihe von Faktoren den pH-Wert des Speicheltests bestimmen, wie zum Beispiel das sympathische und parasympathische Nervensystem. Von daher halte ich den pH-Speicheltest für wenig geeignet, den Status des Säure-Basen-Haushalts zuverlässig zu bestimmen.