Kaffee und Sport verändern die DNA

Am 7. März 2012 erschien in der Fachzeitschrift „Cell Metabolism“ eine schwedische Arbeit von Prof. Juleen Zierath (Link zur Arbeit), die bei gesunden, aber sportlich nicht aktiven Männern und Frauen umweltbedingten DNA-Veränderungen gefunden hat. Diese Veränderungen traten jedoch nicht etwa nach Monaten oder Jahren auf, sondern waren schon nach wenigen Minuten zu beobachten. Die Gruppe um Prof. Zierath konnte ähnliche Veränderungen auch nach dem Genuss von Kaffee beschreiben. Ort des Geschehens war die Oberschenkelmuskulatur der Probanden. Aber was haben Kaffee und Sport mit der DNA zu tun?

Dafür müssen wir ersteinmal ein wenig in die Tiefe der Genetik gehen:

Lamarck, ein französischer Naturwissenschaftler und Begründer der modernen Zoologie, ging vor 200 Jahren davon aus, dass die Evolution auf der Vererbung erworbener Eigenschaften beruhe. Da die DNA und die moderne Genetik zu diesem Zeitpunkt noch erfunden werden mussten, gab es keine stichhaltigen Argumente und Beweise für oder gegen diese Hypothese.

Das Ganze war mehr oder weniger eine Glaubensfrage, die auch teilweise in die Politik Einzug gehalten hatte. So war der Neolamarckismus die offizielle Wissenschaftsideologie der revolutionären Sowjetunion der 1920er Jahre. Als in den 1950er Jahren die DNA entdeckt und dann in der Folge intensiv erforscht wurde, nahm die Frage nach der Vererbung von Umweltfaktoren eine dramatische Wende.

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Schon Mendel hatte bei seinen Kreuzungsversuchen von Pflanzen Vererbungsmuster aufgezeigt, die unabhängig von Umweltfaktoren zu sein schienen. Mit der Entdeckung der DNA war auf einmal die ganze Umwelt von der Vererbung ausgeschlossen und alle Lamarckisten in der Mottenkiste der Wissenschaftsgeschichte verschwunden. Vererbung war eine Sache unveränderbarer Vererbungsregeln, die in die DNA „eingebrannt“ waren.

Eine Veränderung dieser Regeln wurde später „Mutation“ genannt, die aber oft zu Ergebnissen führte, die mit dem Leben nicht vereinbar waren. Mutationen dagegen, die für das Individuum und seine Art Vorteile bewirkten, wurde durch selektive Mechanismen gefördert und ausgelesen. Erst hier spielten die Gegebenheiten der Umwelt eine Rolle für die Selektion von Erbveränderungen.

Mit der Entdeckung der Epigenetik jedoch wurde auch dieses starre Weltbild von der Wirkweise der Gene aufgeweicht. Wie es scheint, ist die Umwelt viel stärker an genetischen Veränderungen beteiligt, als es die Biologie, die ich noch auf dem Gymnasium eingebläut bekommen habe, wahr haben will.

Der alte Lehrsatz, dass die DNA, die man von den Eltern mitbekommen hat, starr und unflexibel sei, scheint so nicht mehr gültig zu sein. Aber diesmal sind es keine Wissenschaftsideologien, die sich hier versuchen breit zu machen, sondern ernstzunehmende wissenschaftliche Arbeiten.

Kommen wir nun zurück zu der schwedische Arbeit von Prof. Juleen Zierath und der Eingangsfrage: Was haben Kaffee und Sport mit der DNA zu tun?

Veränderungen ohne Veränderung

Vorweg muss ich gleich eine wichtige Richtigstellung los werden: Bei diesen Beobachtungen wurde keine Veränderung des Original-DNA-Codes in den Muskelzellen gesehen. Dieser Code blieb wie er war. Auch nach wie vor würde eine solche Veränderung als „Mutation“ angesprochen werden.

Aber mit der sportlichen Betätigung der Probanden erfuhren die DNA-Moleküle der beteiligten Muskulatur eine chemische und strukturelle Veränderung. Diese Veränderungen oder besser Modifikationen der DNA an bestimmten Stellen scheinen die ersten Schritte bei der genetischen Reprogrammierung der Muskulatur in Richtung Kraftaufbau und metabolischem Nutzen von sportlicher Betätigung zu sein.

Prof. Zierath kommentiert den Sachverhalt so:

Unsere Muskulatur ist außerordentlich flexibel. Es wird oft gesagt: Man ist, was man isst. Und die Muskulatur passt sich dem an, was wir tun. Wenn man sie nicht benutzt, bildet sie sich zurück („If you don´t use it, you will lose it“ Wahlspruch der Bodybuilder). Und genau dieser Mechanismus liegt diesen Vorgängen zugrunde.

Aber wie sehen diese Veränderungen nun genau aus? Wie kann etwas in der Genetik verändert werden, ohne dass an der DNA-Sequenz gerüttelt wird? Gibt es „mutationsfreie“ Veränderungen?

Die DNA-Veränderungen in diesem Fall sind bekannt als „epigenetische Modifikationen“. Sie basieren auf der Anheftung oder Loslösung von biochemischen Markern an der DNA. Die vorliegende Arbeit von Prof. Zierath zeigt nun, dass die DNA in der Muskulatur nach sportlicher Betätigung, bei der mindestens 400 Kalorien verbrannt werden mussten, deutlich weniger chemische Marker aufwies als vor der Trainingseinheit.

Die Dauer der Übung betrug zwischen 30 und 45 Minuten, in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit, mit der die Teilnehmer diese 400 Kalorien-Grenze erreichten. Die Entfernung von diesen Markern, sogenannten Methylgruppen, erfolgte in Bereichen der DNA, die bei der Einschaltung von Genen beteiligt sind, die wiederum die Adaptation der Muskulatur an Belastungen steuern.

Bei einer Versuchsanordnung, wo isolierte Muskelfasern auf einem Petrischälchen kontrahiert wurden, stellten die Forscher den gleichen Effekt fest. Auch hier kam es zu einer Verminderung der Methylgruppen in den Muskelzellen. Wurden die isolierten Muskelfasern mit Koffein in Kontakt gebracht, wiederholte sich dieser Vorgang.

Sportliche Effekte beim Kaffeekränzchen?

Jetzt liegt natürlich die Vermutung nahe, dass jedes Kaffeekränzchen älterer Damen vom Effekt her mit Hochleistungssport zu vergleichen sei. Koffein simuliert die Effekte der Muskelkontraktion aufgrund von körperlicher Bewegung auch in anderen Bereichen. Immerhin ist der Verlust an Methylgruppen auf die Muskelkontraktion durch die Übung zurückzuführen und nicht auf Neurotransmitter oder andere im Blut zirkulierende Faktoren, wie z.B. Hormone.

Und die Kontraktion der isolierten Muskeln wurde nur durch Koffein bewirkt, das eine Veränderung der Methylierung durch einen Kalziumfluss bewirkte. Prof. Zierath jedoch sieht darin noch keine Begründung, Sport gegen Kaffee einzutauschen. Aber Sport und Kaffee scheinen sich aus dieser Perspektive nicht auszuschließen, sondern sich eher zu ergänzen. Zumindest würden die sportlichen Ergebnisse bei der De-Methylierung durch eine Tasse Kaffee verlängert werden.

Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man sich die beeinflussten Gene einmal genauer anschaut. Diese haben nämlich eine Reihe von metabolischen Funktionen. PGC-1? ist ein Transkriptionsfaktor, der die Oxidation in der Muskulatur erhöht.

TFAM reguliert die Transkription der mitochondrialen DNA, und MEF2A reguliert den Transport von Glukose in die Zelle hinein und aus der Zelle heraus. Und man wusste schon früher, dass alle diese Gene bei körperlicher Betätigung angesprochen werden. Und es kommt noch viel schöner: Sie sind auch bei der Entwicklung von Diabetes beteiligt.

Es fragt sich natürlich, wie lange diese epigenetischen Modifikationen vorhalten. Spätestens hier kommt die große Enttäuschung: Denn nach nur wenigen Stunden flacht die Aktivierung der Gene ab und die Methylierung kehrt zu ihrem Ursprungslevel zurück. Von daher muss dann wieder eine beträchtliche Einheit sportlicher Betätigung her, um den Optimalzustand wieder herzustellen – oder eine Tasse Kaffee?

Aber hier deuten sich Verhältnisse an, die fast an die Theorien von Lamarck erinnern: Die Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass wiederholtes, langjähriges körperliches Training nicht nur die Kurzzeitveränderungen dieser epigenetischen Modifikationen beeinflusst. Vielmehr vermuten sie auch eine Langzeitveränderung im Genom des Betroffenen. Dies wäre eine mögliche Erklärung, warum Leute mit sportlichem Hintergrund trotz familiärer Vorbelastung weniger anfällig für Diabetes sind.

Immerhin zeigt diese Studie, dass unser Genom weitaus dynamischer ist als noch vor 10 oder 20 Jahren angenommen. Und diese epigenetischen Modifikationen, die Genabschnitte an und ausschalten können, sind die Ursache für sehr flexible Ereignisse in unserem Organismus. Immerhin erlauben sie in einem gewissen Rahmen, dass sich unsere DNA an Umweltbedingungen und deren Veränderungen anpassen kann.

So bringt es Prof. Zierath auf den Punkt: „Körperliche Bewegung ist Medizin,“ sagt sie (ki.se/ki/jsp/polopoly.jsp?d=2637&a=139627&l=en&newsdep=2637). Und dies bedeutet eine Veränderung des Genoms in Richtung einer besseren Gesundheit durch Ereignisse wie Sport und andere körperliche Ertüchtigung.

Aber die positiven Effekte der körperlichen Bewegung auf den Fett- und Zucker-Stoffwechsel der Muskulatur sind nur Resultat der De-Methylierung der DNA-Abschnitte: Am Anfang steht die epigenetische Modifikation. Danach erst kommen die Vorteile für den Organismus und seinen Stoffwechsel. Oder in anderen Worten: Am Anfang steht der Schweiß und dann erst die Belohnung.

Für die, die sich nicht bewegen wollen oder können, blieb dann nur noch der Kaffee oder andere koffeinhaltigen „Leckerlis“. Aber ob das für eine Belohnung reicht?

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René Gräber

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